Das Schwedenkreuz

Unweit des "Schwarzen Kreuzes", ungefähr zweihundert Meter auf der Westseite des Grenzgehsteiges, steht in einem kleinen Waldschlag an der Grenze ein in die Erde gesetztes Steinkreuz. Es wird von diesem alten, vom Wind abgeschlagenen Steinkreuz wie folgt erzählt:


Kreuzsteinla

Man schreibt das Jahr 1639. Ein heißer, trockener Sommer geht zur Neige. Mit banger Sorge sieht man der kommenden Zeit entgegen.

Auffallende Ruhe lagert über unserer Heimat, insbesondere über dem von bewaldeten Höhen umrahmten Tale, das sich vom Fuß der Hohen Mense westwärts zieht, durchschlängelt vom munteren Goldbach. Das Leben in dem kleinen Städtchen an der Talsohle ist fast erstorben, der wilde Krieg verheert durch mehr als zwanzig Jahre das Land. Die männliche Jugend verschlang der Krieg, Werkstätten und Kaufläden stehen verlassen. Sogar die Fluren liegen öde, der Ackermann zog keine Furche und streute kein Saatkorn aus Furcht vor feindlichen Räubern.

Neue Schreckenskunde durchläuft den Ort und macht dessen geängstigte Bewohner erzittern. Vom Westen her wird das Herannahen feindlicher Scharen gekündet, viel schrecklicher und mordgieriger als alle bisherigen. Voll Entsetzen werden Hausgeräte und Kleider auf Wagen geladen, das Vieh wird aus dem Stall geholt, und nun bewegt sich ein trauriger Zug dem Walde zu, um in dessen verborgensten Winkeln Schutz und Zuflucht zu finden.

"Kind, Kind bet‘, morgen kommt der Schwed‘"- ruft die Mutter ihren Kleinen zu, welche sich angstvoll an sie klammern.

Die naheliegende Stadt Nachod wird wochenlang berannt – vergebens! An der Tapferkeit seiner Verteidiger und der Festigkeit seiner Mauern prallen alle Stürme ab. Die Stadt selbst dagegen wird arg zugerichtet. Heute noch zeugen Kugeln in den Mauern einzelner Häuser von dem furchtbaren Ereignisse.

Für diesen Misserfolg sucht der Schwedengeneral Entschädigung. Seine Kundschafter bringen ihm die Nachricht von einer ostwärts liegenden Burg – der Frimburg. Sie erhebt sich auf einem unzugänglichen Felsen inmitten ausgedehnter Wälder. Nach kurzer Belagerung fällt sie in Trümmer, um nie mehr ihre stolzen Zinnen zu erheben. Gesträuch wurzelt bald im zerfallenen Gemäuer

Durch diesen Sieg übermütig geworden, ziehen Unholde ostwärts ins Schlesierland. Unterwegs stoßen sie auf den anmutig im Goldbachtal gelegenen Marktflecken Gießhübel. Dank seiner einsamen Lage war der Ort bisher von den ärgsten Stürmen des Krieges verschont geblieben – daher Aussicht auf gute Beute! Die Plünderung erfolgt gründlich. Kein Haus bleibt verschont, alles wird durchsucht. Die wenigen zurückgebliebenen Bewohner quält man, um verborgene Schätze herauszubekommen. Ein Teil des Ortes geht in Flammen auf.

Die rauen Krieger ziehen weiter, im benachbarten Schlesien auf reiche Beute hoffend. Auf bewaldeter Höhe an der Landesgrenze verwehrt ihnen eine Schar Bewaffneter den Weg. Ein kurzes, heißes Gefecht, die Schweden siegen. Ihr Anführer jedoch fällt. Fern von seiner nordischen Heimat findet er ein einsames Grab. Seine Kameraden setzen ihm ein schlichtes Kreuz.

Noch ein Jahrzehnt lodert die Kriegsfackel. Oft wird unser Heimatort von feindlichen Kriegern heimgesucht. Allein, es gibt nichts mehr zu holen. Viele Häuser stehen verlassen, andere stehen in Schutt und Asche. Handel und Gewerbe ruhen, die Fluren liegen unbebaut. Dagegen bieten die umliegenden Wälder Raubgesindel Unterschlupf.

Horch! Tönt nicht vom nahen Kirchlein Glockenton? – Wahrlich! Neugierig, jedoch voll Scheu nach der Ursache fragend, erfährst Du, dass nach blutigem Ringen der Friede ins Land gezogen ist. Endlich Erlösung nach dreißigjähriger Kriegsnot!!!

Aufsatz einer Schülerin der Gießhübler Bürgerschule, geschrieben unter der Anleitung der Lehrerin Frl. Raabe.