Vermisst im 1. Weltkrieg
von Margarete Kirschner, geb. Rolletschek (Gießhübel)
 


Anton Teuner

Man schrieb das Jahr 1914. Die österreichische Regierung setzte ihre Streitkräfte in Kriegsbereitschaft – der erste Weltkrieg begann. Auch die Männer von Gießhübel wurden einberufen. So musste sich auch ein junger Bergbauer stellen.

Als er von seiner Frau, seinen beiden kleinen Töchtern und seinen Eltern Abschied nahm, sagte er: "Der Krieg wird nicht lange dauern. Ich bin bald wieder daheim." Er konnte nicht ahnen, dass er seine Lieben auf sehr lange Zeit verlassen musste. Er kam als Soldat an die Ostfront und kämpfte gegen Russland. Bei Przemysl (Galizien) geriet er in russische Gefangenschaft und galt von da an als vermisst. Seine junge Frau musste auf dem Berghof die schwere bäuerliche Arbeit verrichten, die sonst ein Mann machen muss. Der Bauer fehlte schon sehr.

Wie erging es inzwischen dem Gefangenen in Russland? In dem weiten russischen Land hatte die Oktoberrevolution begonnen. Es tobte ein schrecklicher Bürgerkrieg. Der gefangene Bauer konnte sich frei bewegen und zog mit einer deutschsprachigen Lehrerfamilie durch das Land – bis Wladiwostok. Sie befanden sich fortwährend auf der Flucht vor den Bolschewiken, die er später als "Teufel" bezeichnete. Die unmenschlichsten Entbehrungen und schrecklichen Hunger mussten die Flüchtlinge auf sich nehmen. Die drei Kinder der Lehrerfamilie starben unterwegs. Er zimmerte drei Särglein und begrub die Kleinen am Wegesrand. In dieser Zeit gelobte er sich, falls er am Leben bleiben und die Heimat wiedersehen sollte, allsonntäglich einen armen Menschen zum Mittagessen einzuladen, und das bis zum Lebensende.

Der Bauer überlebte die entsetzliche Zeit in Russland wie durch ein Wunder. Sein Heimweg führte ihn über das Schwarze Meer und über Wien, wo er lange Zeit im Krankenhaus lag, bis zuletzt ins heimatliche Gießhübel.
1920, nach sechs schrecklichen Jahren, stand er plötzlich vor seiner nun überglücklichen Familie.

Sofort machte er wahr, was er gelobt hatte. Einen völlig mittellosen Mann, der in der Nähe wohnte, lud die Familie an jedem Sonntag zum Mittagessen ein. Dieser war auch immer pünktlich zur Stelle. Zu Weihnachten wurde er von der Familie beschenkt.

Der Bergbauer, dessen Geschichte aus dem 1. Weltkrieg ich erzählte, war unser hochgeschätzter, unvergesslicher Onkel Anton, der Bruder meiner Großmutter, den die Gießhübler, Pollomer und Sattler den "Brända Teuner" nannten.


Haus "Brända Teuner"