Eine Begebenheit im Winter 1941/42 in Gießhübel

Margarete Kirschner, geb. Rolletschek
 
 


Gießhübel im Winterkleid

Es war im Kriegswinter 1941/42, ich war damals 11 Jahre alt. Der Winter war sehr kalt und schneereich. Eines Nachmittags im Feber vergnügten wir Kinder uns mit unseren Schneeschuhen auf dem Berg vor unserem Haus, den alle "Schendlersch Borg" nannten. Die Bahn war schon sehr ausgefahren, ich kam davon ab und da passierte es: Ich stürzte. Der rechte Ski knallte dabei auf mein linkes Schienbein. Ich versuchte aufzustehen, aber es gelang nicht mehr. Die Kinder hielten erschrocken inne und holten meine Mutter herbei. Sie musste mich huckepack ins Haus tragen. Das Bein schwoll an und tat weh.

Mutter fuhr mich am nächsten Tag zu Dr. Petsch, unserem Arzt. Er wusste wohl gleich, was mit mir los war, denn er verwies uns ins Krankenhaus nach Bad Reinerz. Wir sollten also bei tiefem Schnee und grimmiger Kälte in das zwei Stunden entfernte Bad Reinerz fahren! Wie sollte das geschehen? Busse kamen nach Gießhübel nicht durch. Die nächste Bahnstation war im 1 ½ Stunden entfernten Lewin. Meine Eltern fanden einen guten Mann, der uns über Lewin ins Krankenhaus fahren wollte.

Es wurde ein Kastenschlitten mit Stroh gefüllt und ein gutmütiger Gaul vorgespannt. Mutter verpackte mich gut und setzte mich in den Schlitten. Es war kalt, und es schneite immer wieder. Wir hatten Kuttel hinter uns, und Lewin war nicht mehr weit. Da gerieten wir in Schneewehen, die der Wind auf freier Fläche zusammengepustet hatte. So kamen wir in eine gefährliche Situation: Das Pferd versank bis zum Bauch im Schnee. Durch Schaufeln, Schieben und gutes Zureden kam das Tier wieder heraus. Das wiederholte sich noch mehrmals, bis wir Lewin erreichten. Auf der Straße nach Bad Reinerz ging es dann gut voran.

Endlich kamen wir im Krankenhaus an. Dort mussten wir warten. Die Nonnen taten emsig ihre Arbeit. Einmal rief der Chefarzt eine Schwester. Diese lief sogleich im Dauerlauf den langen Flur entlang, die Röcke und ihr Schleier wehten. Bei mir wurde ein glatter Bruch des Schienbeins festgestellt. Ich bekam einen Gipsverband. Inzwischen hatte sich das Wetter etwas beruhigt. Auf der Heimfahrt kamen wir besser vorwärts. Mit dem Skifahren auf unserem Berg war es nun vorbei. Meinen Mitschülern hatte mein Pech auch die Lust genommen.

Heute denke ich, wie schwer es doch die Menschen im Adlergebirge im Winter hatten, wenn ihnen ein Ungemach wie mir zustieß.