Sie hat den Frieden zu den Menschen getragen

Ilse Stonjek
1935 - 2018

Am 20.1.2000 wurde in Osnabrück unter großer Beteiligung - auch aus dem Ausland - Frau Ilse STONJEK das

Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland

verliehen. Sie wurde geehrt für ihren jahrzehntelangen Einsatz um den Abbau des Misstrauens zwischen Menschen benachbarter Länder, vornehmlich aber für ihre Bemühungen um Verständigung zwischen Tschechen und Deutschen. Die Feier zu diesem Anlass fand symbolträchtig im Friedenssaal des Rathauses der Stadt Osnabrück statt, in dem 1648 nach dem Dreißigjährigen Krieg der Friede verkündet wurde.

Frau Stonjek wurde 1935 in Teplitz - Schönau geboren und nach dem 2.Weltkrieg aus Gießhübel vertrieben, wo sie seit dem 2. 3. 1945 mit ihrer Mutter war. Ihre Eltern stammen beide aus Gießhübel im Adlergebirge. Die Familie verbrachte dort oft ihre Ferien, so dass wir Gießhübler Ilse Stonjek als eine der Unsrigen betrachten. Frau Stonjek hat nie die Bande zu ihrer und unserer Heimat verloren.

1968/69 stieß Frau Stonjek zur Ackermanngemeinde, die von Osnabrück, Hannover und Köln aus während der kommunistischen Zeit in den Ostblockländern ca. 1000 kirchenleitende Persönlichkeiten und Studenten unterstützt und begleitet hat. Ab Mitte der sechziger Jahre organisierte und unternahm Frau Stonjek Fahrten mit Schülern in die damalige DDR und CSR und regte den Austausch zwischen Familien aus Ost und West an. Seit den siebziger Jahren war sie bei den Osthilfekreisen.

1992 begründete sie den Schüleraustausch zwischen dem Gymnasium Oesede in Georgsmarienhütte bei Osnabrück und dem Jirasek Gymnasium in Nachod. Jährlich kommen seither 30 – 40 tschechische Schüler nach Osnabrück und ebenso viele deutsche Schüler nach Nachod. Sie leben kostenlos in Familien des jeweiligen Nachbarlandes. Auch Jahresgastschülern wird auf diese Weise ein Studium im jeweils anderen Land ermöglicht. Es haben sich Freundschaften zwischen den Jugendlichen, aber auch unter den einzelnen Familien in Deutschland und in der Tschechischen Republik entwickelt. Am 19. 3. 1999 wurden diese Beziehungen durch einen Freundschaftsvertrag zwischen den beiden Gymnasien in einem feierlichen Akt besiegelt.

In den Ansprachen des Oberbürgermeisters der Stadt Osnabrück, der Bundesvorsitzenden der Ackermanngemeinde und des Rektors des Gymnasiums Oesede, an dem Frau Stonjek noch bis zum 31. 1. 2000 als Studiendirektorin arbeitete, wurde zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Frau Stonjek besonders der Vorbildcharakter ihres vorbehaltfreien und selbstlosen Engagements zum Wohle anderer hervorgehoben.

Ihr Eintreten für Menschen im Ostblock, die Repressalien ausgesetzt waren, sei ohne Kalkül erfolgt, mit persönlichem, finanziellem Einsatz und mitmenschlicher, persönlicher Zuwendung - und dies mit Entschlossenheit und Beharrlichkeit. Bequem sei dieser Einsatz nicht gewesen. So habe sich Frau Stonjek niemals entmutigen lassen durch Visumspflicht und Bürokratie auf beiden Seiten. Mit Zähigkeit sei sie stets eingetreten für ein solidarisches Europa, für Mitmenschlichkeit, Völkerverständigung und Frieden. Und ihre Arbeit habe deutlich sichtbare Spuren hinterlassen - und dauert fort.

Frau Stonjek, inzwischen im Bundesvorstand der Ackermann-Gemeinde und im Leitungsteam NW-Deutschlands tätig, äußerte abschließend den Wunsch, ihren Orden in Elementarteilchen zerlegen zu können, um ihn auszuteilen an alle, die ein weitmaschiges Netz über alle Teile Europas geknüpft haben, ein Netz der Begegnung und des sich Kennenslernens. Er solle dienen zur Ermutigung, weiter an diesem Netz zu knüpfen über Nationalitäten und Sprachen hinweg in Würde und Achtung voreinander. Sie hoffe, dass dieser Traum auch im Herzen Europas Realität werde.

Während der Feierlichkeiten ehrte das Schulorchester Frau Stonjek mit zwei Musikstücken. Bei dem abschließenden Zusammensein trug eine alte, junggebliebene Dame aus der Ackermanngemeinde ein Gedicht auf das Lebenswerk von Frau Stonjek vor, das mit dem Satz endete: Sie hat den Frieden zu den Menschen getragen.

Wir Gießhübler haben ihr besonders für ihre Bemühungen um die Erhaltung der Kirche und des Pfarrhauses in unserem Heimatort zu danken, und wir gratulieren ihr herzlich zu der besonderen Würdigung und der hochrangigen Auszeichnung!

Thea Frank