Wir waren im Adlergebirge

Erlebnisreiche Tage liegen hinter uns. Nach zweijähriger Pause besuchten wir Heimatfreunde aus Mecklenburg und Sachsen - Anhalt in der Zeit vom 17.7. bis 22.7.2006 das Adlergebirge.
Manfred Rolletschek aus Lübtheen, der Fan vom Adlergebirge, hatte die Reise für uns organisiert und das Programm erstellt. Dafür möchten wir uns bei ihm an dieser Stelle nochmals recht herzlich bedanken.
Die Reiseroute führte uns am ersten Tag nach Dresden. Dort unternahmen wir eine Stadtrundfahrt und nahmen in der wieder errichteten Frauenkirche an der Abendandacht mit Kirchenführung teil. Das war für uns gleich das erste große Erlebnis. Wer kommt schon
von uns aus dem Norden so leicht dahin?

Nach der Übernachtung im Hotel Achat fuhren wir am zweiten Tag durch das Elbe –Sandstein - Gebirge, am Grenzübergang Schöna/Hrensko weiter in Richtung Liberec/ Reichenberg, Jicin/Jitschin, Hradec Kralove/Königgrätz der alten Heimat zu. Im Hotel „Chata Destna“ (in Deschnei) hatten wir Unterkunft bekommen. Das Wetter war herrlich – etwas zu warm. Im Schein der Abendsonne grüßte uns das satte Grün des Waldes von den Bergen entgegen.
Nun konnten wir auch Walter Wondrejz aus der Lausitz und Gerhard Wondrejz aus Frankfurt/Main in unserer Mitte begrüßen, die privat angereist waren.
Gut ausgeruht von der langen Reise und reichlich verköstigt, unternahmen wir am dritten Tag eine große Rundfahrt durch das Adlergebirge. Der erste Halt galt der Schierlichmühle, von wo aus die jungen und kräftigen Teilnehmer zur Masarykbaude wanderten, während wir Älteren mit dem Bus dorthin fuhren.
Neben der Baude ist neuerdings ein Hüttchen für den Grenzübergang aufgestellt. Es war aber nicht besetzt. So naschten wir auf der bereits polnischen Seite die ersten Blaubeeren, die um diese Zeit reifen. Hinter diesem Hüttchen führt jetzt ein festgewalzter Weg den Kamm entlang. Mit dem Fahrrad könnte man ihn gut befahren.

Unsere Fahrt ging weiter über den Berg auf die Ostseite des Adlergebirges – entlang am Fuße der bewaldeten Berge, dicht an der polnischen Grenze entlang. In Bärnwald konnten wir das Fortschreiten des Wiederaufbaus der Kirche sehen. Zur Zeit wird gerade der Dachstuhl auf das Kirchenschiff aufgesetzt. Die beiden Türme der Kirche waren schon vor zwei Jahren fertiggestellt. Die Energie und Ausdauer der Bärnwälder Gemeinde verdient Hochachtung!

Der Halt an der Brücke der „Wilden Adler“ bei Ceske Petrovice/Böhmisch Petersdorf wurde uns wieder zum Erlebnis. Wir konnten uns erfrischen.

Auf unbekannten und bereits bekannten Wegen, die wir befuhren, winkte uns schon aus der Ferne der Muttergottesberg mit seiner steil aufgesteigenden Allee entgegen. Die Klosteranlage, besonders der Kreuzgang, war in diesem Jahr völlig restauriert, so daß er ganz besichtigt werden konnte. Erklärungen und Hinweise sind auch in der deutschen Sprache angebracht.
Vom Muttergottesberg hatten wir rundum eine wunderschöne Aussicht ins Land. Die Sicht war für diese heißen Tage des Sommers ungewöhnlich. Man konnte sogar das Altvatergebirge gut erkennen. Auf Umwegen gelangten wir dann nach Rokitnitz und fuhren nun an der Westseite des Adlergebirges nach Deschnei zurück.

Der nächste Tag wurde für uns Reiseteilnehmer zum Höhepunkt. Wir wurden alle in unsere Heimatorte gebracht. Wir Gießhübler fuhren in „unser Staadtla“, jetzt Olesnice v Orl. hor. Da hat uns natürlich links und rechts der Straße alles interessiert – der Zustand der Bebauung, der Felder, des Waldes und der Wiesen. Günther Falke fuhr uns mit dem Bus bis hinauf zur Schnappe. Ich konnte mich noch an fast alle Häuser und an die Bezeichnungen innerhalb des Ortes erinnern wie z.Bsp. „Dynterhübel“ und „Prelle“ und den anderen erklären.

Den Rückweg traten wir, die wir noch gut zu Wege waren, in aller Muße zu Fuß an. Wir genossen die Umgebung. Der dichte Baumbestand an beiden Seiten der schmalen Straße spendete uns den nötigen Schatten an dem heißen Tage. Über die „Sommerseite“ – immer wieder einen Augenblick zurückschauend auf den „Panzker“ und die „Hohe Mense“ – gelangten wir schließlich ins „Staadtla“. Im „Alten Rathaus“ kehrten wir in die neu errichtete Gaststätte ein. Vor Jahren war dort in den Räumen das Heimatmuseum untergebracht. Das Lokal hinterläßt einen einladenden Eindruck. Die anderen Läden und Lokalitäten am Ringplatz sind geschlossen, nur die neue Verkaufsstelle neben dem „Narodni dum“ (früher: „Deutsches Haus“) war geöffnet. Ansonsten macht der Ort einen ordentlichen, sauberen Eindruck. Enttäuscht war ich über den kahlen Platz, wo einst die Gebäude der Brauerei gestanden haben. Ein Kuriosum! Das eingestürzte Haus vom Schintag-Bäcker ist vom Dachfirst bis zur Erde hinunter mit Dachpappe überzogen. Es waren kaum Leute unterwegs – vielleicht wegen der Hitze!? Jeder von uns suchte sich die für ihn bedeutsamen Plätze und Wege auf. So konnte Sigrun Patscheke, geb. Petsch und ihr Mann mit Einwilligung der Bewohnerin (Soumar Mariechen, geb. Stonjek aus OG.) die Räume des ehemaligen „Doktorhauses“ ansehen, in dem sie 1944 geboren wurde.

Am Nachmittag besuchten wir die Kirche und den Friedhof. Der Ortspfarrer war dieses Mal freundlich und feierte mit uns einen Gottesdienst überwiegend in deutscher Sprache. Er war der hl. Maria Magdalena, der Patronin der Kirche gewidmet. Deren Gedenktag ist am 23. Juli. Früher seehta mer – „Fohrt“. Dos wor a grußes Fest om Gießhiewel! Auf Initiative von Frau Duchatsch wurde der Gottesdienst von einem kleinen Chor der deutschen Minderheit mit Gesängen in deutscher und tschechischer Sprache umrahmt. Hinterher erfreuten sie uns mit einem kleinen Konzert von Heimatliedern, wie z.Bsp. „Die Glocken der Heimat“.

Auf dem Friedhof gedachten wir neben unseren lieben, verstorbenen Verwandten, die dort ruhen, besonders unserer jüngst verstorbenen Schulkameradin Mariechen Netik, verh. Cejnarova, Jhg. 1933. Sie hat uns zu ihren Lebzeiten immer gut aufgenommen.

Anschließend wollten wir den „Kuttel“ noch einmal sehen. Die „Neue Straße“ war gerade wieder für den Verkehr freigegeben worden. Sie wurde mit EU-Mitteln erneuert, weil jetzt ein Grenzübergang nach Polen in Richtung Lewin eingerichtet ist. Die Felder und Wiesen im Kuttler Tal sind stark verwachsen. Vom Kirchberg aus kann man den Viadukt von Lewin nicht mehr sehen. Na ja – schließlich sind 60 Jahre im Lande vergangen. Zwischen den Büschen auf den Feldern und Wiesen der ehemaligen Bauern Wolf und Herzig sind neue Häuser errichtet worden. Das „Gehöft Herzig“ ist zu einem prächtigen Anwesen ausgebaut worden. Falkes Haus ist auch in einem guten Zustand. Das frühere Hasler-Gasthaus sieht noch immer so aus, wie es war. Das Haus Wolf war eine Ruine und ist jetzt von der Familie der Enkelin Helene Merwartowa, geb. Hausdorf, zu einem Wochenendhaus wieder hergerichtet worden. Bei der Familie waren wir zu Gast. Abends war im Hotel in Deschnei ein gemütliches Beisammensein mit Musik und Tanz. Damit ging der schöne Tag zu Ende.

Am letzten Tag erlebten wir noch ein besonderes Ereignis. Wir hatten ein goldenes Hochzeitspaar unter uns. Herbert Hoffmann (Hofma Mäuers vom Hiewel) feierte mit seiner Frau Betty an diesem Tage das goldene Ehejubiläum. Mit dem Paar waren seine Nichten und der Neffe mit Partnern angereist (Grimmbäckas Hildas Kinder). Sie beglückwünschten gleich morgens das goldene Paar und stießen mit einem Glas Sekt auf sein Wohl an. Von unserer Gruppe wurde das goldene Paar mit einem Ständchen erfreut. Danach fuhren wir noch einmal über Gießhübel. Manfred Rolletschek begab sich mit noch anderen jüngeren Leuten vom „Puschdärfla“ aus auf eine Wanderung zur Hohen Mense, den Kamm entlang bis nach Deschnei. Wir fuhren durch Untergießhübel, durch das „Grüne Tal“ in das 12 km entfernte Nove Mesto n. M. (Neustadt an der Mettau). Es ist ein schönes Städtchen. Der historische Markt wird ringsherum von Arkaden gesäumt. In dem Schloß am Südwestrand verbrachte viele von uns im August 1946 die erste Nacht nach der Ausweisung.

Auf dem Rückweg nach Deschnei hielten wir noch in Dobruschka, um Mitbringsel einzukaufen. Über Solnice gelangten wir durch das bewaldete Albatal ins Quartier. Von dort traten wir am Sonnabend die Rückreise nach Deutschland an.

Der Bus wurde wieder in bewährter Weise von Heimatfreund Günther Falke gelenkt. Er brachte uns mit Bravour auf allen schmalen Wegen, auf den Serpentinen in den Bergen und auf den viel befahrenen Straßen sicher zurück. Dafür möchten wir ihm nochmals ein herzliches „Vergelt’s Goot“ sagen.

Wir haben die alte Heimat noch einmal wiedergesehen. Viele Erinnerungen wurden wach. Von den neuen Eindrücken werden wir wieder lange zehren. Es wird für manche von uns das letze Mal gewesen sein. Der Weg ist weit!

In diesem Reisebericht wollte ich besonders die Eindrücke über unseren Heimatort Gießhübel denen mitteilen, die die weite Reise nicht mehr unternehmen können. Die Heimatfreunde aus Katscher und den anderen Orten werden sicherlich über ihre Eindrücke berichten. Sie werden die Orte und Gegenden, die wir bei der großen Rundfahrt passiert haben, besser kennen und genauer bezeichnen können.

Es grüßen alle Heimatfreunde Hilda und Herbert Klimt und Anna Pohl! Ei Goots Noma!