Getrocknetes Brot – Hilfe in der Not

M. Kirschner

Als ich neulich in „Mei Heemt" las, dass sich 1945/46 Familien mit dem Trocknen von Brot auf die Not im Lager und in der neuen Heimat vorbereitet hatten, fiel mir ein, dass es auch wir so machten. Ich hatte es nur schon vergessen. Ich erinnere mich:

Unsere Familie war von 1945 bis zu unserer Aussiedlung Ende Juli 1946 auf das Gut Podzamci bei Opocno zur Arbeit gebracht worden. Dort verpflegten wir uns selbst. Das Brot kauften wir in einer Mühle. Meine Schwestern, die damals noch kleine Mädchen waren, behaupten, dass es wie Kuchen geschmeckt hätte.

Ab dem Frühjahr 1946 wurde unsere Mutter unruhig. Sie machte sich Sorgen, was bei der bevorstehenden Aussiedlung auf einen zukommen wird. Wir hatten kein Radio und lasen keine Zeitung, aber durch slowakische Arbeiter auf dem Hof war durchgesickert, dass in Deutschland große Not herrschte und man dort hungerte. Das machte Angst.

Mutter begann Brot, das übrig blieb, zu trocknen. Sie wollte vorsorgen. Bald war ein weißer Leinenbeutel gefüllt, und als wir ausgesiedelt wurden, nahmen wir einen ganz schönen getrockneten Brotvorrat mit. Bei der Kontrolle im Lager gab es keine Beanstandung deswegen, und so ging es mit dem Gedanken, dass wir schon nicht verhungern werden, auf die Reise nach Deutschland.

In Bad Schandau wurden unsere Waggons umgeladen. Es kamen Männer aus der Umgebung und halfen mit. Sie baten uns um ein Stück Brot für ihre Hilfe. Da waren wir doch alle sehr erschrocken. Es war also wahr, was wir in Opocno schon gehört hatten. Man hungerte in Deutschland. Viele trösteten sich mit dem Gedanken, dass wir in Mecklenburg, wo wir hinsollten, wegen der umfangreichen Landwirtschaft solche Hungersnot wie in Sachsen nicht vorfinden würden. Als wir endlich an Ort und Stelle in Mecklenburg untergebracht waren, sahen wir, dass es auch hier an allem fehlte.

Der 1. Winter war hart. Unser Brot, das wir so sorgsam gehütet hatten, war uns jetzt eine große Hilfe. Es wurde als Suppeneinlage gern gegessen, und wir immer hungrigen Kinder knabberten zu gern an den Brotstücken. Es kann ja sein, dass Mutter auch getrockneten Kuchen mit in den Beutel getan hat, so dass meine Schwestern bis heute ein Kuchengeschmack in Erinnerung blieb.

So hat unser Brot mitgeholfen, über erschreckende Armut und Hunger in der ersten Zeit im neuen zu Hause hinwegzukommen. Für diese Vorsorge sind wir unserer Mutter heute noch dankbar.