Vom Kummer eines kleinen Mädchens

 

Erinnerung an die Gießhübler „Kendlababe“

 

Margarethe Kirschner

 

 

Als ich mit 6 Jahren immer noch das Einzelkind meiner Eltern war, wünschte ich mir so sehr ein Geschwisterchen. Immer, wenn in der Nachbarschaft Kinder geboren wurden, fragte ich Mutter, warum ich so allein sein muss.

 

Inzwischen hatte ich herausgefunden, dass die Geburt eines Kindes mit Frau Schmidt, einer Hebamme, zusammenhängen musste, denn sie ging in Geburtshäusern ein und aus.

 

Eines Tages begegnete sie mir auf der Straße: Ich nahm mir ein Herz und fragte, wann sie uns ein Baby bringen würde. Frau Schmidt war sehr freundlich zu mir und gab mir den Rat, den Storch mit Quark anzulocken. Von da an legte ich abends oft Quark auf das Fensterbrett. Wenn ich morgens wach wurde, schaute ich schnell nach, und siehe da, der Quark war weg! So hoffte ich, dass noch alles gut werden würde.

 

An einem Sommertag im Jahre 1936 zogen Zigeuner bei uns vorbei. Auf lautes Klopfen öffnete meine Mutter. Eine junge Zigeunerin mit ihrem hübschen, blonden Kind auf dem Arm kam herein. Sie bat um Windeln. Da wir keine hatten, suchte Mutter Tücher heraus und zerriss sie zu Windeln. Die junge Frau wickelte nun das Kind, und ich sah zu. Als sie merkte, dass ich das Kleine mochte und mich daran erfreute, sagte sie, dass wir es behalten könnten. Sie würde es uns schenken. Ich war von dem Vorschlag begeistert, aber Mutter wollte davon nichts wissen. Als die Zigeunerin mit dem Kind wieder weiterzog, war ich traurig.

 

Ein gutes Jahr später, ich war inzwischen sieben Jahre alt geworden und besuchte die 2. Klasse, kam mein Schwesterchen Christine zur Welt. Nun ging Frau Schmidt auch bei uns ein und aus. Sie meinte, dass das Herausstellen von Quark doch noch geholfen hätte.

 

Mein Kummer hatte nun ein Ende. Ich war froh, dass ich nicht mehr allein war.