Erinnerung an die Gießhübler
„Kendlababe“
Als ich mit
6 Jahren immer noch das Einzelkind meiner Eltern war, wünschte ich mir so sehr
ein Geschwisterchen. Immer, wenn in der Nachbarschaft Kinder geboren wurden,
fragte ich Mutter, warum ich so allein sein muss.
Inzwischen
hatte ich herausgefunden, dass die Geburt eines Kindes mit Frau Schmidt, einer
Hebamme, zusammenhängen musste, denn sie ging in Geburtshäusern ein und aus.
Eines Tages
begegnete sie mir auf der Straße: Ich nahm mir ein Herz und fragte, wann sie
uns ein Baby bringen würde. Frau Schmidt war sehr freundlich zu mir und gab mir
den Rat, den Storch mit Quark anzulocken. Von da an legte ich abends oft Quark
auf das Fensterbrett. Wenn ich morgens wach wurde, schaute ich schnell nach,
und siehe da, der Quark war weg! So hoffte ich, dass noch alles gut werden
würde.
An einem
Sommertag im Jahre 1936 zogen Zigeuner bei uns vorbei. Auf lautes Klopfen
öffnete meine Mutter. Eine junge Zigeunerin mit ihrem hübschen, blonden Kind
auf dem Arm kam herein. Sie bat um Windeln. Da wir keine hatten, suchte Mutter
Tücher heraus und zerriss sie zu Windeln. Die junge Frau wickelte nun das Kind,
und ich sah zu. Als sie merkte, dass ich das Kleine mochte und mich daran
erfreute, sagte sie, dass wir es behalten könnten. Sie würde es uns schenken.
Ich war von dem Vorschlag begeistert, aber Mutter wollte davon nichts wissen.
Als die Zigeunerin mit dem Kind wieder weiterzog, war ich traurig.
Ein gutes
Jahr später, ich war inzwischen sieben Jahre alt geworden und besuchte die 2.
Klasse, kam mein Schwesterchen Christine zur Welt. Nun ging Frau Schmidt auch
bei uns ein und aus. Sie meinte, dass das Herausstellen von Quark doch noch
geholfen hätte.
Mein Kummer
hatte nun ein Ende. Ich war froh, dass ich nicht mehr allein war.