Sternfahrt
nach Gießhübel
Gießhübel im Winter 2002
So
lautete der Arbeitstitel, unter dem einige Nachkommen und deren angeheiratete
Partner des Schreinermeisters Friedrich Kossek, sen. (1875-1962) und seiner
Ehefrau Anna Kosssek, geb. Grimm, ihre Reise nach Gießhübel vorbereiteten. Am
11. Oktober 2001 erreichten die
15
Teilnehmer der Fahrt unseren Stützpunkt Neustadt an der Mettau. Der älteste
Teilnehmer war der Enkel des Friedrich Kossek, Herbert Hoffmann aus Wismar, der
jüngste Teilnehmer der Urenkel Christof Kossek aus Limburg. Gebürtige
Gießhübler waren die Enkel bzw. Urenkel Herbert Hoffmann, Helma Lienshöft, geb.
Grimm, Brigitte Tiefholz, geb. Hainke, Klaus Kossek und Norbert Grimm. Aus der
Enkelgeneration waren noch dabei Paul-Gerhard Kossek und die Brüder Siegfried
und Josef Mitterfellner. Als interessierte Ehepartner reisten mit Betty
Hoffmann, Henry Tiefholz, Günther Lienshöft, Monika Kossek, Marianne Grimm und
Thekla Mitterfellner.
Daß
die Fahrt ein unvergeßliches Erlebnis wurde, verdanken die Teilnehmer der
sachkundigen und geduldigen Führung des Seniors der Gruppe. Herbert Hoffmann,
der als einziger noch auf eigene konkrete Kenntnisse und Erfahrungen
zurückgreifen konnte. Nicht nur die Betroffenen selber standen nachdenklich vor
ihren Geburtshäusern, wenn Herbert Hoffmann alle familiären Querverbindungen
erläuterte und feststellte, daß die in der 2. Hälfte des 19. Jh. aus Stiebnitz
zugezogenen Brüder Josef und Friedrich Kossek sich rasch in Gießhübel
integrieren konnten und einer sogar die als Elektrizitäts- und Sägewerk nicht
unbedeutende „Zentrale“ erwerben konnte. Die Gruppe nahm sich zwei Tage Zeit,
den Ort Gießhübel und die nähere Umgebung zu erkunden, so standen Rokoli, das „Schwarze Kreuz“ und eine Fahrt nach
Groß
Stiebnitz mit auf dem Programm.
Zentrale (Elektrizitäts- u.
Sägewerk)
Der
Ort Gießhübel machte einen verschlafenen, tw. stagnierenden Eindruck. Der
Gewerbefleiß früherer Jahre hat dem Städtchen zu einem auch jetzt noch
äußerlich sichtbaren Wohlstand verholfen. Der Marktplatz
mit der im Hintergrund bestimmenden Kirche und die repräsentative Bürgerschule zeugen noch heute von einem
vergangenen stolzen Bürgersinn. Das gleiche gilt für die gediegene Ausstattung der Kirche und den gepflegten Friedhof, auf dem die alten Gräber noch
weitgehend erhalten sind. Der Platz wird für neue Gräber offensichtlich nicht
gebraucht. – Doch dies ist Vergangenheit, Nostalgie; heute wird hier in
Gießhübel kein Bier mehr gebraut, kein Gatter schneidet Holz und die Webstühle
stehen schon lange still. Doch auch der Fremdenverkehr ist unterentwickelt. Wir
haben außer einem kleinen Supermarkt kein Café, kein Hotel, keine Pension oder
Speisegaststätte gesehen. Die Brauerei Migula
liegt in Ruinen, das Gasthaus Czerny ist abgebrannt und dann seinem Schicksal
überlassen worden.
abgebranntes Gasthaus Czerny
Dabei
birgt das Heimatmuseum, das in der alten Schule untergebracht ist, einen
Schatz, um den Gießhübel viele Gemeinden beneiden müssen. Die Rede ist von dem
„Bethlehem“, einer geschnitzten Darstellung der
Begebenheiten der heiligen Nacht. Alle Figuren sind mit einer Mechanik versehen
und an eine Transmission angeschlossen. Sie streben einem Ziel entgegen oder
haben, wenn sie nun mal stehen oder liegen müssen, Körperteile, die sich
bewegen. Der Schöpfer dieser einmaligen Anlage ist der Gießhübler Bürger Josef
Utz, der ein begnadeter Künstler und ein genialer Techniker war. Unsere Gruppe
stand andächtig vor diesem Meisterwerk und schaute zu, wie die Figuren
herbeieilten und auch wieder verschwanden.
Von
der ehemals deutschen Bevölkerung ist praktisch nichts mehr übrig geblieben.
Zwei alten Damen, der Frau Bartsch und der
Frau
Berta Smola, geb. Vogel, sind wir begegnet, die sich an Herbert Hoffmann,
unsere Eltern und Großeltern erinnern konnten.
Erwähnenswert
sollte auch die zweisprachige Gedenktafel im
Eingangsbereich der Kirche sein, die an die letzten unglückseligen Jahre
deutsch-tschechischen Zusammenlebens erinnert. Allein seine Existenz zeigt, daß
man sich darauf besinnt, daß die vorhergehenden Jahrhunderte Teil einer
mitunter nicht immer problemlosen, aber immerhin gemeinsamen Geschichte sind.
Klaus und Monika
Kossek