Zum Gedenken an Frau Marie Klar aus Gießhübel

1.3.1920 - 6.6.1998
 

Marie Klar

"Bring Zeit mit, wenn Du kannst. Es gibt so viel zu reden." So oft war das von Marie Klar zu hören, und die Zeit reichte nie!

Was wollte sie nicht alles wissen, über die Gießhübler in Deutschland, über Politik, über Kirche, über ganz alltägliche Dinge. Für so vieles interessierte sie sich, dachte darüber nach, fragte. Aber sie verstand auch zu erzählen, zu berichten. Der Besucher war einfach bei ihr zu Hause an dem großen Tisch in der Wohnküche und nahm teil an ihrem Leben, mit allen Sorgen und Freuden, am Leben in Gießhübel, am Leben in diesem Land. Das war nicht erst nach 1989 so.

Mariela schrieb die Gießhübler Chronik weiter, als sie offiziell nicht mehr in Deutsch geschrieben wurde. Wer wird es jetzt tun? Mit ihrem Bruder Pepi und später allein versorgte sie die Kirche. Es ist vor allem ihr zu verdanken, dass die Kirche heute noch so gut erhalten ist, dass es hinten an der Kirche und beim Aufgang je ein neues Tor gibt, dass neue Stufen zur Sakristei entstanden, dass ein Teppich in der Kirche liegt ...

Kirche „Maria Magdalena“ 1991

Ihr Garten brachte nicht nur Früchte für die Familie, sondern vor allem auch die Blumen, die sie genauso den weiten Weg zur Kirche trug wie im Winter heißes Wasser für die Messe. – "Der Pfarrer kann doch bei der Kälte nicht kaltes Wasser nehmen." –

Erst im letzten Jahr waren ihr der Weg zu weit und die Gartenarbeit zuviel. "Wer wird das denn jetzt machen? So und so muss es doch sein!" Ihre Sorge galt immer anderen. Die sah sie zuerst. Jedem gab sie etwas mit: Ihre Buchteln, ihre Kartoffeln, ihre Karotten...

In dieser Sorge schreckte sie auch vor niemandem zurück. Bis an den Staatspräsidenten Husak wandte sie sich, um das zurückgekaufte Haus der Familie zu erhalten, als man beim Staatsgut andere Ideen hatte. Sie hatte Erfolg.

Unzählige Seiten schrieb sie so auf der Schreibmaschine. Ein häufiger Adressat war seit 1990 Bischof Otcenasek, einerseits wegen Kirche und Pfarre, andererseits vergaß sie kein Fest, keinen Namenstag. Als das Gerücht aufkam, für Gießhübel solle kein Pfarrer mehr zuständig sein, schrieb sie sofort an den Bischof. Zu jedem Treffen der Gießhübler an ihrem Heimatort lud sie ihn ein – und er kam und feierte mit ihnen den Gottesdienst und verbrachte auch den Nachmittag unter ihnen.

Ein besonderes Anliegen war ihr die Pfarre. Die erneuerte Fassade erlebte sie nicht mehr auf dieser Erde.

Das renovierte Pfarrhaus

Marielas Rat und Tatkraft schätzten nicht nur die Gießhübler in der Ferne, mit denen sie eine die Kräfte übersteigende Korrespondenz verband, sie wurde in Gießhübel selbst immer wieder einbezogen und gefragt, u.a. bei Historischem fürs Museum, bei der vorgesehenen Neugestaltung des Friedhofs...

Bei ihr liefen die Fäden zusammen, ihr vertraute man Aufzubewahrendes an. Sie war ein wesentliches Bindeglied zwischen Alt- und Neu-Gießhüblern. Es ging ihr immer wieder um ihr Gießhübel.

Richtig glücklich war sie über das Telefon, auf das sie so lange gewartet hatte. Es verband sie mit der Welt, die einfach größer und erreichbarer wurde.

Bei aller Not und allen Kämpfen der Jahre zwischen 1945 und 1989 wurde sie nach außen oft kantig und hart. Sie überforderte sich selbst und fand kaum Zeit zu den schönen Dingen, die sie so liebte und die verborgen in ihr waren und sie auch prägten. Und ganz verändert, behutsam und strahlend war sie, wenn sie von ihrem Urenkel sprach.

Mariechen wird weiter für "den Gießhübel" sorgen und dafür da sein. Müssen nun wir nicht diese "Fürbitterin im Himmel" wahrnehmen und ausnützen?

Ilse Stonjek