Rotraud Vratny - Sie baute Brücken
 

Rotraud Vratny

Nach schwerer Krankheit entschlief in den Abendstunden des 11. März 1999 Rotraud VRATNY, geb. Migula, im 71. Lebensjahr. Nach mehreren Therapien war sie in den letzten Wochen bei ihrer Tochter Marcela Härtl in Mitterteich geblieben und hatte sich dort ganz bewusst auf ihren Abschied von dieser Welt vorbereitet. Der Tod kam jetzt wohl als Erlöser.

Vielen von uns war Rotraud aus dem "Grünen Tal" in Gießhübel als lebensfrohe und lebensbejahende, zupackende Frau bekannt. Besonders zu Zeiten unserer Betreuerin Maria Utz und zusammen mit Ilse Stonjek setzte sie sich aktiv für die Belange unserer Heimat, vornehmlich im kirchlichen Bereich, ein. Da sie tschechisch konnte, war sie als Dolmetscherin eine große Hilfe und ein wichtiges Bindeglied.

Bei den Treffen in Rohr übernahm sie einen großen Teil der Organisation, vor allem, als wir unsere Utz Mariela nicht mehr hatten. Unsere Heimatgemeinschaft trauert um sie und fühlt sich in ihrer Bestürzung um den Verlust verbunden mit Rotraud Vratnys Kindern und deren Familien, mit ihren beiden noch lebenden Geschwistern Burgel Doyle und Heinz Migula und allen Angehörigen. In unserer Erinnerung wird Rotraud lebendig bleiben.

An der Beerdigung am 13.3.1999 in Mitterteich nahm stellvertretend für unsere Heimatgemeinschaft Margit Daum (geb. Märsenger) teil. Sie überbrachte von uns allen ein Blumengebinde und dankte Rotraud in einer liebevollen Ansprache für ihre Treue zur Heimat und ihren Einsatz für unsere Heimatgemeinde. Mit den Musikstücken "Näher mein Gott zu Dir" und dem Gefangenenchor aus Nabucco wurde Rotraud der Erde übergeben. Zeitgleich mit dem feierlichen Requiem am Samstagnachmittag gedachte man mit einer Messe auch in Gießhübel der Verstorbenen.

Nachruf für Rotraud Vratny aus Gießhübel, gest. 11.3.1999

Rotraud hatte vorgeschlagen, gemeinsam nach Gießhübel zu fahren – wegen der Pfarre. Daraus wurde nichts mehr im Frühjahr 1998. Die Krankheit hatte sie schon überfallen. Noch Ende Februar 1999 fragte sie am Telefon nach dem neuesten Stand.

Die Renovierung des Pfarrhauses verdankt Gießhübel im tiefsten ihr. Nach der Bitte von Pfarrer Mikes darum, hat Rotraud sich voll eingebracht. Sie hat ihren Sohn als Baufachmann mit nach Gießhübel genommen. Sie hat Freunde aus Mähren gebeten, sich das Haus anzusehen. Sie hat aber vor allem mit den Ingenieuren der Bauabteilung des Bistums und mit dem Bischof überlegt, geplant und immer wieder verhandelt. Sie hat die Spenden überbracht und die Abrechnungen gesammelt. Sie hat Pfarrer Lada von dem Projekt überzeugt und Helmut Bartsch gewonnen, sich vor Ort zu engagieren.

Sie hatte Ideen, wie das Pfarrhaus zu nutzen wäre; sie hatte den Blick für das Praktische der Renovierung und hat in Königgrätz immer wieder "den Finger auf die Wunde gelegt". Unzählige Male war sie dort. Einige Male durfte ich dabei sein. Mit großer Zähigkeit hat sie gedrängt, aber auch immer wieder betont, dass es die Angelegenheit des Bistums sei und dass dort entschieden werden müsse, was mit dem Haus geschehen soll. Für Rotraud war das gesamte Projekt bis zuletzt Hilfe zur Selbsthilfe. Das hat sie konsequent durchgezogen.

Nicht nur hierbei hat sie Brücken gebaut. Ja, sie wurde geradezu selbst zur Brücke zwischen Tschechen und Deutschen. Bedingt durch ihre Lebensgeschichte beherrschte sie beide Sprachen und kannte die Lebensverhältnisse und Denkweisen auf beiden Seiten der Grenze. Ihre Freunde leben dort und hier. Immer wieder hatte sie ihre Wohnung voller Besuch aus allen Himmelsrichtungen und schenkte Geborgenheit und Zuhause.

Dabei war sie einerseits in beiden Ländern zu Hause und hatte andererseits nirgendwo mehr Wurzeln geschlagen seit ihrer Schulzeit. Ihr Mitleben mit anderen kannte keine Grenzen und reichte z.B. von Irland bis in die Ukraine. Sie war schon Europäerin.
Rotraud lebte tief aus dem Glauben und war doch eine große Suchende in jeder Beziehung. Das Wort von Kardinal Volk gilt auch ihr: "Wir hätten sie noch so sehr gebraucht. Gott hat gesagt: Es ist genug!"
Er hat sie in das Zuhause gerufen, das kein Ende hat und ihr Suchen vollendet.

Den Gießhüblern bleibt der Dank, dass wir sie haben durften, aber auch die Bitte an sie, weiter bei uns zu sein, wenn es um die Pfarre und die Kirche, ja um die Pfarrgemeinde in Gießhübel geht. Dieses Werk ist noch lange nicht zu Ende und ist mit Leben zu füllen. Unser Dank darf noch konkrete Gestalt annehmen.

Ilse Stonjek