Josef Schintag

Gemeindebetreuer von Gießhübel / Adlergebirge
von 1959 - 1968

Josef Schintag wurde am 30. 8. 1897 in Schediwie (Ostsudeten) geboren und wuchs mit den beiden Brüdern Wilhelm und Albin und seiner Schwester Theresia in der Weberei und Landwirtschaft Schintag in Gießhübel O./34 auf. Er besuchte die Volksschule und die Bürgerschule in Gießhübel und danach die Fachschule für Weberei in Landskron. Im 1. Weltkrieg diente er als Gebirgsjäger. Bis 1938 arbeitete er in dem Textilbetrieb Müller in Neustadt an der Mettau, danach war er als Angestellter der Firma Schroll aus Braunau tätig. Er leitete die Garnausgabe an die für diese Firma arbeitenden Webereien im ganzen Oberen Adlergebirge und führte das Warenlager.

Weberei Schintag, Haus Nr. 34 OG

Kurz vor Kriegsende 1945 setzte er sich für elf hitzköpfige junge tschechische Männer ein (sogenannte Partisanen), die nach einer Schießerei mit deutschen Grenzposten gestellt worden waren und von einem Sonderkommando der SS standrechtlich erschossen werden sollten. Zusammen mit dem damaligen Bürgermeister von Gießhübel, Anton Kluger, konnte er diese Maßnahme verhindern.

Nach Kriegsende wurde er im Mai 1945 in die Tschechei abgeführt und in verschiedenen Lagern inhaftiert. Während dieser Zeit verstarb im März 1946 seine Frau in Hummelstadt (Lewin), Kr. Glatz, wohin sie mit ihrer 12jährigen gemeinsamen Tochter und seiner Schwiegermutter am 1. Juni 1945 über die ehemalige Reichsgrenze  im Zuge der wilden Vertreibungen abgeschoben worden war.

1946 wurde er aus seiner Heimat in die damalige Ostzone nach Grieben (Mecklenbg.) ausgewiesen. Von dort suchte er seine Tochter, die zusammen mit seiner Schwiegermutter kurz nach dem Tode seiner Frau 1946 von den Polen zwangsweise nach Rinthe, Kr. Wittgenstein (NRW) umgesiedelt worden war.

1947 fasste er Fuß in Laasphe, Kr. Wittgenstein (heute Kr. Siegen). Er arbeitete als Webereileiter bei einer kleinen Firma in Saßmannshausen bei Laasphe, vorübergehend war er auch einige Zeit in Bergisch Gladbach tätig. Später führte er in diversen kleineren Betrieben die Geschäftsbücher.

Am 4. 11. 1968 verstarb er ganz unvorhergesehen in Bad Laasphe und ist am dortigen Friedhof beerdigt.

Bis zu seinem Tode kümmerte er sich sehr engagiert um die Geschicke seiner Landsleute.

Zuerst half er, zusammen mit dem damaligen Ortsbetreuer Landsmann Alois Kossek, den Gießhüblern bei der Abwicklung des Lastenausgleichs und war ihnen bei der Eingliederung in den neuen Lebensraum behilflich. Er korrespondierte mit vielen von ihnen und besuchte sie persönlich. Er nahm an allen stattfindenden Treffen teil und nutzte so jede sich bietende Gelegenheit, die Kontakte mit den Menschen aus seiner angestammten Heimat zu erhalten und zu pflegen.

In Zusammenarbeit mit seinen Landsleuten, u.a. mit Herrn Prof. Otto Stonjek, vornehmlich aber mit Herrn Rudolf Seidel aus Tanndorf, arbeitete er die Vergangenheit seines Heimatortes auf. Er verfasste eine ausführliche Chronik von Gießhübel, ferner beschrieb er detailliert die Entwicklung des Handwerks und Gewerbes in seinem Heimatort, besonders genau die Webereien, die Mühlen, Landwirtschaften, Geschäfte, Gaststätten usw. Er zeigte ihre Lage im Ort auf und nannte ihre Besitzer.

Er befasste sich mit der Entwicklung und Arbeit der einzelnen Vereine und beschrieb ihre Aktivitäten, soweit es ihm möglich war. Es liegt von ihm eine Aufzeichnung unserer Kirchen- und Schulgeschichte vor, einschließlich einer Auflistung der Geistlichen und Lehrer, die in Gießhübel tätig waren. Auch die im letzten Jahrhundert amtierenden Bürgermeister sind von ihm benannt. Er hat alle besonderen Ereignisse, die in unserem Heimatort vorgekommen sind, schriftlich dargestellt. Es gibt von ihm eine bis in alle Einzelheiten gehende Beschreibung der Mahnmale, Denkmäler und Gedenksteine unserer Gemeinde, einschließlich deren Inschriften.

Die Flurnamen und deren Bedeutung sind von ihm aufgelistet. Sämtliche Feste und das dazugehörige Brauchtum sind von ihm beschrieben, ebenso Wallfahrten. Es finden sich Aufzeichnungen über das Verkehrswesen, das Erwerbsleben, den Fremdenverkehr, über Löhne und Gehälter und für die Zeit typische Erlebnisse aus seiner Kindheit. Auch Sagen und Geschichten, die in Gießhübel erzählt wurden, hat er aufgeschrieben.

Am 1. 8. 1968 wurde ihm nach mehr als zwanzigjähriger, ununterbrochener Tätigkeit für seinen unermüdlichen und aufopferungsvollen Einsatz im Dienste der vertriebenen Schicksalsgefährten vom BDV mit einer

Ehrenurkunde Dank und Anerkennung

ausgesprochen.

Thea Frank