Menschen, die uns in Erinnerung bleiben

Roland SEIDEL

ist am 24.11.1925 in Gießhübel geboren. Er verbrachte dort sein Kindheit und Jugend. In Grulich absolvierte er eine Lehre bei der Post. Auch ihm blieb der 2. Weltkrieg nicht erspart, und so musste er u.a. in Frankreich und Russland an der Front kämpfen. Unter einer Schussverletzung am Hinterkopf litt er zuweilen bis zu seinem plötzlichen und unerwarteten Tode am 17.3.1991.

Nach dem Krieg musste er, wie so viele, seine Heimat zusammen mit seinen Eltern und seinem Bruder verlassen. Nach verschiedenen Stationen wurde zunächst Holzkirchen in Niederbayern der Wohnsitz der Familie. Dort konnte er eine Ausbildung als Schreiner machen. Eine Stelle bei der Post verschlug ihn dann mit seiner inzwischen sechsköpfigen Familie nach Düsseldorf, wo er als Postbetriebsinspektor 1981 nach einem schweren Herzinfarkt vorzeitig pensioniert wurde.

Seiner Heimat war er stets treu verbunden, und er ist immer wieder nach Gießhübel gefahren. Er kümmerte sich bei diesen Besuchen stets auch um das Grab des ermordeten Pfarrers Rührich in Slavonov. Er war dankbar und glücklich darüber, noch im Oktober 1990 die Altarweihe in Gießhübel mitfeiern zu können. Seiner in alle Gegenden Deutschland verstreuten Heimatgemeinde stand er jederzeit mit Rat und Tat zur Seite.

Für sei vielfältiges soziales Engagement wurde Roland Seidel im April 1981 mit dem

Bundesverdienstkreuz

ausgezeichnet. Einer Leprastation in Tansania galt seine unermüdliche Fürsorge. Er packte und versandte unzählige Pakete, sammelte Altpapier und organisierte Weihnachtsbasare, um mit dem finanziellen Erlös die Arbeit der Missionsstation unterstützen zu können. Auch in seiner Pfarrgemeinde war er sehr engagiert und ebenso war er als Großvater von sieben Enkelkindern immer im Dienst.
Was immer er zu seiner Aufgabe gemacht hat, er hat Freude in die Herzen seiner Mitmenschen gebracht.

Auszug aus "Mei Heemt"1981/ Nr.7, Seite 265 und 1991 /Nr.4, Seite 172 / T.F.

 

 

Horst SEIDEL

Horst Seidel wurde 1935 in Untergießhübel geboren. Die Zeit seiner Kindheit im Heimatort bis zur Vertreibung war kurz bemessen. Trotzdem hing er mit großer Liebe an seiner Heimat, die bis zu seinem Tode im Alter von 62 Jahren unvermindert in ihm blieb.

Über einige Jahre in Bayern kam Horst mit seinen Eltern nach Düsseldorf, wo sie sich ein Haus bauten, das er später erweiterte. Dort begegnete er der Stepan Dorchen aus Gießhübel, die er aus seiner Kindheit schon kannte. Horst und Dorchen heirateten und bekamen zwei Töchter.

Horst Seidel und sein Bruder Roland gehörten in großer Treue zum Kern aller Heimattreffen nach der Vertreibung.

Mit ihren Familien verlebten sie so manchen Sommerurlaub in Gießhübel. Sie bewohnten das "Benscha Hoisla" im Puschdörfel. Die Kinder lernten hier das schlichte, gesunde Leben eines Gebirgsbewohners kennen. Das Wasser wurde von der Pumpe oder aus dem Bach geholt. Sie konnten Blaubeeren pflücken und weite Wanderungen unternehmen. Auch den harten Winter erlebten sie, als Horst seine Töchter in den Weihnachtsferien zum Skifahren begleitete.

Horst brachte auf Wunsch Steine aus der Heimat mit, eine Himmelschlüsselpflanze aus einem Gießhübler Grundstück oder getrocknete Wiesenblumen. Er holte für seinen Garten Schneeglöckchen und eine "Herzelestaude" aus Gießhübel, einmal waren es Glatzer Rosen (Trollblumen), ein nächstes mal eine junge Fichte von "Novaka Borche", die ihm in Düsseldorf ein Stück Heimat bedeuteten.

Bei seinen Aufenthalten in der Heimat bewegte es Horst innerlich, mit seiner Familie in der Kirche, wo er und seine Frau getauft worden sind, den Gottesdienst zu feiern oder auch allein zu einem stillen Gebet einzukehren.

Horst Seidel war ein Mann des Friedens, des Ausgleichs, getragen von warmer Menschlichkeit.

So waren ihm die Begegnungen mit Menschen bei seinen Heimatbesuchen immer wichtig. Er suchte, die deutschen Bewohner im "Staadtla", und Unter- und Obergießhübel, ja bis Pollom auf, wo der so geachtete Schmoranz-Schnitzer damals noch lebte. In einer ganzen Reihe von Aufnahmen hielt Horst die Schönheiten des Adlergebirges fest, seine Natur, seine Häuschen, die Menschen. So hat Horst trotz Vertreibung eigentlich nie seine Heimat verloren.

Horsts warme Menschlichkeit kam auch bei seiner Berufsausübung als Regierungsamtsrat in Düsseldorf zum Tragen. Er übersah nie die menschlichen Schicksale, die in den Akten festgehalten waren. Mit Verantwortungsgefühl und Hilfsbereitschaft löste Horst seine Aufgaben. Die Wurzeln dieser Haltung lagen in seiner angeborenen Wesensart, aber auch in seiner tiefen Religiosität. Wanken und Schwanken im Glauben gab es für Horst nicht.

Aus dieser festen Überzeugung heraus ergaben sich für Horst eine Reihe von Aktivitäten in seiner Pfarrgemeinde. Horst war zudem ein begabter Musiker, der Posaune, Akkordeon und Klavier spielen konnte. Horst spielte nicht nur zum Selbstzweck, er spielte mit seiner Jugendband auch bei Gemeindefesten auf. Der Erlös war für soziale Aufgaben bestimmt.

Mitten ins volle Leben hinein ergriff Horst eine heimtückische Krankheit. Er wurde nach und nach immer mehr bewegungsunfähig. Nach einer Lungenentzündung konnte er nur noch durch künstliche Beatmung und künstliche Ernährung am Leben erhalten werden. Seine Frau und seine Töchter, inzwischen beide Ärztinnen, richteten für ihn zu Hause eine Pflegestation ein und wandten sich ihm immer in gleichbleibender, aufopferungsvoller und liebevoller Weise zu. Obwohl Horst ein vollkommener Pflegefall geworden war, zeigte er Lebenswillen und Interesse an seiner Umgebung. Die Familie bezog ihn, soweit möglich, in ihr Leben ein. Als eine Tochter heiratete, kam das Brautpaar zum Bett des Vaters und das erste Enkelkind wurde nach der Taufe gleich auf das Bett des Großvaters gelegt – und Horst strahlte.

 Wenn Besucher kamen, hatte er immer ein freundliches Lächeln für jeden. An seinem Gesichtsausdruck, seinem Minenspiel konnte man beobachten, wie er die Gespräche mithörte, wie er mitdachte, wie er sich freute oder betrübt war. Nie hat man in den fast 6 Jahren seiner Krankheit einen Ausdruck von Anklage, Unwillen oder Verbitterung gesehen. Am Sterbebett begleite ihn das Lied "Tief eim Tole, zwescha Borcha, leit mei schiene, griene Heemt...Dich mei Staadtla lieb ich innig..." - gesungen von seiner Frau und seinen Töchtern -  in die ewige Heimat. Am Tage seines 62. Geburtstages, am 23. April, wurde Horst Seidel unter großer Anteilnahme der Erde übergeben.

 Wir Gießhübler können dankbar sein für so einen Menschen, der sich immer bescheiden gab, aber groß war in der Liebe, groß in der Treue, groß im Glauben, groß im geduldig und tapfer ertragenen Leiden. So ein Mensch hat Ausstrahlung weit über den Kreis der Familie und Freunde hinaus und kann vielen auf ihrem Lebensweg Trost und Beispiel sein.


Zusammengestellt in Anlehnung an den Nachruf für Horst Seidel von Inge Ellermann
in "Mei Heemt"1997, Nr.4, Seite 189 f  /  T.F.


 

Alfred PATZELT

Ein Lehrer, der jahrelang an unsere Schule wirkte, war Alfred Patzelt.

Wo immer sich seine ehemaligen Schüler wiedertreffen, fällt sein Name. Ldm. Patzelt stammte aus Oberaltstadt bei Trautenau und war seit 1919 im Oberen Adlergebirge als Lehrer tätig. 25 Jahre wirkte er an den dortigen Schulen, zuletzt über mehrere Jahre in Gießhübel.

Erst 1944 wurde er zum Kriegsdienst einberufen, kam verwundet in ein Lazarett bei Leipzig und fand 1947 seine Familie in Ludwigstadt wieder. 1950 trat er in Böhringen seinen Dienst als Schulleiter wieder an, musste sich jedoch wegen eines Kriegsleidens 1956 vorzeitig pensionieren lassen. Nachher schrieb er das Gemeindegedenkbuch seines Dienstortes.

Von daheim ist er vielen auch durch sein Wirken in den Schutzvereinen in guter Erinnerung. Alfred Patzelt verstarb in seinem 70. Lebensjahr am 23.4.1969. Seine Beerdigung bewies, wie viel Wertschätzung sich der Verstorbene auch an seinem letzten Dienstorte erfreute. Am offenen Grab würdigten der Schulrat, ein Vertreter des Lehrervereins, ein Kollege, der Schulleiter und der Bürgermeister seine Verdienste, die er sich als Jugenderzieher und durch seine Tätigkeit im öffentlichen Leben erwirkt hatte und mit einem Chorlied verabschiedeten die Schüler der Oberstufe den ehemaligen Lehrer des Ortes.

Quelle: "Mei Heemt"1969/ Nr.4, Seite 140


 
 

Emilie KRISTEN und ihre Familie


Emilie Kristen

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht vom plötzlichen Tod unserer Heimatfreundin Emilie Kristen, bekannt als Laschtowitza Milla. Sie verstarb am 4.6.1996 im Alter von 71 Jahren völlig unerwartet an Herzversagen und wurde am 7.6. unter großer Beteiligung auf dem Gießhübler Friedhof beigesetzt.

Kaum einer, der nach Gießhübel kam, kehrte nicht bei ihr und Franz Kristen, ihrem Mann, ein oder hielt einen Plausch mit ihnen am Zaun ihres mit vielen Blumen ausgeschmückten Häuschens an der "Armenhausbrücke". Zu ihrem 72 Geburtstag hatte Milla noch alle Teilnehmer des Treffens in Gießhübel eingeladen, das sie schon zum drittenmal in unserem Heimatort mit großer Umsicht und trotz mancher gesundheitlicher Probleme ihrerseits für uns organisierte.

Emilie Kristen war einer unserer wichtigsten Kontaktpunkte nach daheim und Bindeglied zwischen Heimatort und unserem neuen "Zu Hause".

Sie stand mit vielen von uns in brieflichem und nach der Wende auch in telefonischem Kontakt, und am liebsten wäre sie herumgefahren und hätte uns alle besucht. Nun setzte der Tod ihrem Leben ein jähes Ende. Wir sind ihr zu großem Dank verpflichtet – und auch ihrer in Königgrätz verheirateten Tochter Eva Svarcova, die nach dem Tod ihrer Eltern uns weiterhin hilft, die Treffen in der Heimat zu organisieren. 


Auszug aus: "Mei Heemt"1996/ Nr.5/6 Seite 225


 
 

Philomena GRIMM und die Grimm-Schusters

Hinter Philomena Grimm liegt ein außerordentlich schweres Leben, das sie bis zu ihrem letzten Atemzug vorbildlich gemeistert hat. Sie wurde als jüngstes von sieben Kindern in eine Familie geboren, die ein Schicksal besonderer Art zu tragen hatte: Die vier Söhne waren kerngesund, die drei Töchter durch ihre Kleinwüchsigkeit körperlich beeinträchtigt.

Für die Eltern war es nicht leicht, ihre neunköpfige Familie zu ernähren. Vater Grimm verdiente als Fabrikarbeiter nur wenig. Mutter Grimm ging zu einigen Familien putzen und Wäsche waschen. Auch wenn so manche Einschränkungen notwendig waren – gefroren und gehungert hat die Kinderschar nie. Im Stall stand eine Ziege, die Milch gab. Beim Bauern Swetlik hatten die Eltern ein Stück Feld gepachtet, auf dem sie Kartoffeln anbauten. Vater und Brüder haben im Wald "Stöcke" gerodet. Es war eine schwere Arbeit, die Wurzeln gefällter Bäume auszugraben, aber sie gaben gutes Brennholz.

Die Kinder sind mit einem großen zweirädrigen Karren in den Wald bis ins Gebirge hinauf gezogen. "Wo fährt denn der Wagen mit den Kindern hin?" fragten humorvoll die Leute. Im Wald gab es viel zu sammeln: Blaubeeren, Pilze, Reisig und Tannenzapfen. Die Mutter hat die Beeren eingelegt oder – wie die Pilze – für den Winter getrocknet. Blaubeeren verkauften die Kinder auch gern an den Kluger-Bäcker für seine saftigen Kuchen.

Zu Weihnachten waren alle glücklich über das Christbäumchen, über ein nötiges Kleidungsstück, über ein paar Äpfel und Nüsse, über etwas Gebäck, das die Mutter heimlich vor dem Fest gebacken hatte. "Was haben wir uns gefreut, als wir einmal einen Schlitten bekamen – ein unerwartetes Geschenk!" erzählte Mena noch im Alter. Der Vater habe oft gesagt: "Kinder, ihr werdet viel sehen, was ihr nicht haben könnt!"

So wurden alle zur Genügsamkeit erzogen. Die Mena meinte, schon als Kind habe sie gar nicht erst den Wunsch geäußert, wenn sie wusste, er ist unerfüllbar. Und sie fügte hinzu: "Wir waren arm, aber zufrieden, und wir haben alle zusammengehalten. Der Vater hat manchmal abends mit uns Kindern gesungen. Wir alle hatten eine gute Stimme." Mena zählte Spiele auf, die nichts kosteten und doch viel Spaß machten: "Stiewerla vermieta", "Kiechalan schiewa", "Blinza-Verstecka".

Keinen Tag hat Minkala in der Schule gefehlt, auch bei schlechtem Wetter nicht, und was gab es für strenge Winter in unserer Heimat! Die kleinen Häuser waren nach heftigen Schneefällen manchmal so verschneit, dass die Bewohner aus den Giebelfenstern heraussteigen und einen Gang zur Haustüre schaufeln mussten. Auf den Wegen ließen die Schneewehen nur noch die Zaunspitzen frei. Das hielt Minkala nicht zurück. Ein Lehrer in der Volksschule sagte: "Schaut Euch die Grimm an, die ist viel kleiner als ihr, aber sie ist trotz ihrer kurzen Beine da!" Bei Tauwetter sank die Minkala bis zu den Knien in den Schnee ein.

Im Winter wurde in der Mittagspause an bedürftige Kinder Schulspeisung, warme Suppe, ausgegeben, so dass der beschwerliche Schulweg wenigstens nur einmal zurückgelegt werden musste. Die Eltern Grimm haben von früh bis spät gearbeitet und konnten sich nicht auch noch um die Hausaufgaben der Kinder kümmern. Trotzdem hatte Mena immer ein gutes Zeugnis. Anerkennung ist die Haltung der Mitschüler Menas; nie hat ein Kind sie wegen ihrer Andersartigkeit verspottet. Ihre beste Schulfreundin war die Utz Mariela, unsere spätere Gemeindebetreuerin.

Wenn eines der sieben Kinder der Familie Grimm die Schulzeit beendet hatte, musste es sobald wie möglich für sich selbst mit sorgen helfen. Der Vater sagte: "Kinder, ich kann euch sonst nichts mitgeben als meinen ehrlichen Namen." Die Söhne haben ein Handwerk gelernt, die Töchter durch Fabrikarbeit oder Aushilfe in den Familien ihr Brot verdient. So hat auch Mena nach Beendigung ihrer Schulzeit zwei Jahre in der Semarak-Fabrik in Untergießhübel gearbeitet – von früh um 7 Uhr bis 12 Uhr und von 1-6 Uhr abends. Ihre Aufgabe war, die Fäden nach dem Spulen zu kontrollieren. Dabei musste sie die ganze Zeit über stehen. Höchstens 35 Kronen waren dabei in der Woche zu verdienen.

Durch die Vermittlung ihrer Freundin Maria Utz und deren Bruder, Pater Roman, kam die Mena nach Prag zu den Schwestern im Orden der Borromäerinnen (Barmherzige Schwestern). Sie führten ein Heim für Behinderte. Mena wurde in der Verwaltung beschäftigt Karten und Kalender wurden an Wohltäter verschickt, um das Heim unterhalten zu können. Die Schwestern und Priester bemühten sich über die normale Betreuung hinaus darum, die ihnen anvertrauten Menschen zu einer positiven Lebenseinstellung zu führen. Mena sagte noch gar nicht lange vor ihrem Tod: " In Prag habe ich die drei wertvollsten Jahre meines Lebens verbracht. Es war Gottes Führung, dass ich in dieses Heim kam. Hier habe ich die Leidensbereitschaft gelernt, ich habe gelernt, dass das Leiden einen Sinn, einen Wert hat. Ich danke dem Herrn immer wieder für diesen Weg."

Mena fühlte sich bei den Boromäerinnen wohl und hatte sich vorgestellt, in Prag bleiben zu können. Durch die Angliederung des Sudetenlandes an das Deutsche Reich und die Bildung des Protektorates Böhmen/Mähren war das aber nicht mehr möglich. Mena kehrte nach Gießhübel zurück und verdiente sich zunächst wieder durch Fabrikarbeit ihr Brot.

Unter dem Hitler-Regime wurde von vielen Menschen der Nachweis ihrer arischen Abstammung verlangt, der in einem Ahnenpass dokumentiert werden musste. Die Daten dafür wurden aus den Matriken der Pfarrämter entnommen. Für diese umfangreiche, zusätzliche Schreibarbeit wurde Mena schließlich in das Gießhübler Pfarramt gerufen.
Nach dieser Aushilfe wollte sich Mena für die Büroarbeit qualifizieren.

Um Schreibmaschine und Stenografie zu erlernen, nahm sie einen außerordentlich beschwerlichen Ausbildungsweg auf sich. In Gießhübel bot sich keine Möglichkeit. So ging Mena früh am Morgen zu Fuß über 5 km von Gießhübel zum Bahnhof Lewin , fuhr mit dem Zug nach Glatz, wo sie von 8-10 Uhr am Unterricht teilnahm. Um 11 Uhr fuhr sie mit dem Zug bis Bad Reinerz und ging 8 km übers Gebirge nach Gießhübel zurück. Auch in Neurode ließ sich Mena weiterbilden. Dass sie diese Strapazen durchhielt, zeugt von enormer Willenskraft und großem Durchhaltevermögen.

Wieder war es die Utz Mariela, die sich für ihre Freundin einsetzte. Die Mariela war bei den Benediktinern in Braunau beschäftigt, die ein Gymnasium führten, an dem auch Marielas Bruder, Pater Roman unterrichtete. Mariela vermittelte für Mena eine Anstellung im Büro. Für Mena begann eine gute Zeit, bis zum zweitenmal politische Veränderungen ihre Arbeit unterbrachen. Diesmal war es das Ende des 2. Weltkrieges und die Vertreibung aus der Heimat.

Die Benediktiner von Braunau kamen nach Rohr/NdB., wo sie wieder ein Gymnasium mit Internat aufbauten. Die Utz Mariela wurde als Wirtschaftsleiterin eingesetzt, die Mena und ihre ebenfalls körperlich behinderten Schwestern als Büroangestellte. Sie verrichtete diese Arbeit gern und rechnete damit, dass es eine Aufgabe bis hin in den Ruhestand sein würde.

Alle Zukunftspläne beendete 1965 ein tragischer Sturz, der zu einer Querschnittslähmung führte, was Rollstuhl und schließlich totale Bettlägerigkeit von 30 Jahren Dauer zur Folge hatte. Auch ein Krankenhausaufenthalt von über einem Jahr brachte keine Hilfe. So hatte zum dritten Male im Leben Menas ein hartes Schicksal alle eigenen Vorstellungen und Pläne durchkreuzt.

Nun war der Zeitpunkt gekommen, wo aus der einstmals "kleinen Minkala" eine große Frau wurde. Gemeint ist die Haltung, die Gesinnung, mit der Mena die immer heftiger werdenden Schmerzen und das Gefesseltsein an das Krankenlager trug. Nach dem, was sie in ihrer Jugendzeit von Ordensfrauen an Gesinnungsformung erfahren hatte, lebte sie. Sie bot jeden neuen Tag Gott an und opferte ihr Leiden für die Menschen auf, damit diese den richtigen Weg gehen und Hilfe finden sollten. Mena sagte einmal: "Ich danke Gott, dass er mir die Kraft gibt, das Kreuz zu tragen, das er für mich ausersehen hat." Da fiel kein lautstarkes Wort der Anklage oder der Auflehnung. Mena verarbeitete innerlich mit großer Tapferkeit alle Fragen nach dem Warum. "Wenn ich den Glauben nicht hätte!" und "Ich hoffe sehnsüchtig auf Erlösung!“, das sind ihre Worte, an denen man ermessen kann, was Mena körperlich und seelisch durchlitten haben mag.

Viele von uns Gießhüblern konnten Mena am Telefon oder bei den Heimattreffen in Rohr selbst erleben.

So mancher ist von ihrem Krankenbett gestärkt weggegangen in der Zuversicht, dass die eigenen Sorgen, das eigene Leid auch zu ertragen sein müssten, wenn man sie in der richtigen Haltung auf sich nimmt.

Mena Grimm ist ihrer Gesinnung immer treu geblieben.

Wir Gießhübler, die sie gekannt und geschätzt haben, werden ihr ein ehrendes Andenken bewahren und sie nie vergessen. Sie verstarb am 5. Juni 1995, kurz nach ihrem 75. Geburtstag im Krankenhaus in Regensburg. Unter großer Anteilnahme wurde sie am 14. Juni in Rohr unter Anteilnahme des gesamten Konvents des dortigen Benediktinerklosters bestattet. 


Aus: Ein Lebensbild, Inge Ellermann, "Mei Heemt"1995 / Nr. 7, Seite 269ff /T.F.


 

Martha und Emil BLASCHKE

Sieben Jahre lang, bis zum Kriegsende 1945, war Frau Martha Blaschke an der Volksschule in Gießhübel i.A. erfolgreich als Lehrerin tätig, ihr Ehemann, Herr Emil Blaschke, unterrichtete bis zu seiner Einberufung zum Kriegsdienst von 1938 – 1940 an der Bürgerschule in Gießhübel.

1945 gehörte Frau Blaschke mit ihrem damals fünfjährigen Sohn Diethard zu denen, die innerhalb weniger Stunden am 1.6. über die Grenze in Kuttel nach Schlesien "heim ins Reich" gejagt wurden, während Ldm. Emil Blaschke schwer kriegsverletzt aus russischer Gefangenschaft entlassen, auf einem polnischen Gut Frondienste leisten musste. 1946 kam er nach Blankenburg, wo er in einem Kalkwerk arbeiten sollte. Aber seine Operationsnarben brachen auf, er musste ins Krankenhaus. Erst 1947 fand die Familie in Deggendorf wieder zusammen.

Herr Blaschke konnte hier vier Monate als Lehrer tätig sein und musste danach wieder 2 ¼ Jahre lang im Krankenhaus verbringen. 1949 vorzeitig pensioniert, versuchte er vergeblich wieder in den Schuldienst übernommen zu werden. So unterrichtete er eine Zeitlang an der Grenzschutz-Fachschule in Deggendorf, betätigte sich im Stadtrat, war 5 Jahre Vorsitzender der Ortgruppe der SL in Plattling und 9 Jahre der Vorsitzende der Ortsgruppe der SL in Deggendorf - und er wurde hier für seine Verdienste mit der Goldenen Ehrennadel der Sudetendeutschen Landsmannschaft ausgezeichnet.

Nur seinem ungebrochenen Lebenswillen ist es wohl zu verdanken gewesen, dass er nach vier in Lazaretten verbrachten Jahren und nach sechs Operationen diese Tätigkeiten noch so erfolgreich ausüben konnte.

Am 13.1. 1968 stand jedoch sein getreues Lehrerherz nach einer weiteren Operation für immer still. Frau Blaschke, auch weiterhin im Schuldienst tätig, litt sehr unter dem Verlust ihres Gatten – und auch ihres Sohnes, der 34jährig ganz unerwartet und plötzlich auf offener Straße einem Herzinfarkt erlag. Bei unseren Treffen, die sie bis ins hohe Alter ausnahmslos besuchte, brachte sie dies immer wieder zum Ausdruck. Am 12. März 1996 verschied sie im 88. Lebensjahr schnell und unerwartet in Deggendorf und wurde dort zur letzten Ruhe gebettet. Mit ihr ging, besonders empfunden von ihren ehemaligen Schülern, die sie sehr verehrten, ein weiteres Stück Heimat verloren.
 

Quellen: "Mei Heemt" 1968 / Nr.2, Seite 71 und 1996 / Nr. 3, Seite 134 / T.F.


 

Friedrich MÄRSENGER und die Märsengers


Friedrich Märsenger jun.

Fredi, wie wir ihn nannten, wurde am 10.1. 1931 in Gießhübel i.A. geboren. Nach Kriegsende wurde er mit 14 Jahren, ohne die Bürgerschule abschließen zu können, als einziger Jugendlicher aus unserer Gemeinde in Königgrätz inhaftiert und 1946 ohne Nachweis einer Schuld zur Ausweisung entlassen. Zusammen mit Mutter, Schwester und Großmutter vertrieb man ihn am Ostermontag aus der Heimat nach Kronach / Obfr. Dorthin kehrte im gleichen Jahr sein Vater aus dem Krieg zur Familie heim.

Fredi musste zum Familienunterhalt beitragen. Er hat beim Straßenbau Steine geklopft und später handgemalte Glückwunschkarten mit Kunst-Druckschrift versehen. 1948 konnte er eine kaufmännische Lehre beginnen und war dann als kaufmännischer Angestellter bei verschiedenen Firmen tätig. Bis zu seinem Vorruhestand im Mai 1991 arbeitete er als Verwaltungsangestellter im Straßen- und Wasserbauamt in Kronach.

Vor allem in den Nachkriegsjahren war die Familie Märsenger so eine Art Knotenpunkt.

Viele Familien haben sich über Märsengers wiedergefunden. Fredi pflegte auch die Beziehungen zu denen, die in der Heimat verblieben sind. Er führte einen regen Briefwechsel mit vielen Bekannten. Viele Nachrichten für das gesamte Albatal/Mensegebiet in "Mei Heemt" kamen von ihm. Er kannte unsere Heimat und ihre Menschen wie wohl kein anderer seiner Altersgruppe. Er versäumte kaum ein Treffen. Trotz schwerer Diabetes war er auch noch beim 1.Treffen 1992 in Gießhübel dabei.

Viele seiner Landsleute hat er mit zu Grabe getragen. Von seinen früheren Reisen nach Gießhübel hatte er ein kleines Säckchen Heimaterde mitgebracht. Immer, wenn jemand aus der Heimat gestorben war, schickte er den Angehörigen von der Erde, um sie dem Verstorbenen mit ins Grab zu geben. Als Fredi nach seiner schweren Erkrankung am 3.1.1993 verstarb, hat ihm seine Tochter den Rest dieser Erde mit in sein Grab gelegt.

Auszug aus "Mei Heemt" 1993 / Nr. 2, Seite 78 / T.F.


 
 

Dr. jur. Ernst HOFMANN

Nach dem plötzlichen Tod unserer Gemeindebetreuerin Maria Utz erklärte sich Herr Dr. Ernst Hofmann, Sohn unseres ehemaligen Bürgerschuldirektors Wilhelm Hofmann, bereit, die Betreuung der verwaisten Gemeinde Gießhübel i.A. zu übernehmen. Er übte diese Tätigkeit von Ende 1988 bis Ende April 1989 aus.

Bei der Überreichung einer Ehrenplakette der Stadt Limburg a.d. Lahn, die Dr. Hofman für die außerordentlichen Verdienste um das Wohl der Bürger dieser Stadt bei einer Festsitzung überreicht bekam, wird er als vornehm, bescheiden, verlässlich, gerecht und unparteiisch beschrieben. Sein stets ausgewogenes Urteil, seine Duldsamkeit, Toleranz und Lebenserfahrung fänden über die Schranken der Parteien hinweg Anerkennung. Dr. Ernst Hofmann war nicht nur politisch aktiv, sondern gehörte 1988 bereits seit 30 Jahren dem Vorstand der Kreisvolkshochschule an und leitete wiederholt Bildungsfahrten.

Für seine Verdienste auf kulturellem und kommunalem Gebiet wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.

Dr. Ernst Hofmann verstarb im Alter von 91 Jahren plötzlich und unerwartet am 7.12.2003 nach einem Sturz in seiner Wohnung in Limburg (Lahn).

 

T.F.